EuGH kippt Vorratsdatenspeicherung

Der EuGH hat mit Urteil vom 08.04.2014 die Richtlinie 2006/24/EG zur Vorratsdatenspeicherung für ungültig erklärt.

Datenkolonne

Das Gericht hat festgestellt, dass die anlasslose Speicherung sämtlicher Telekommunikationsdaten in die Grundrechte aus Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, d.h. der Achtung des Privatlebens, Art. 8 der Charta, d.h. des Rechts auf Schutz der personenbezogenen Daten und Art. 11 der Charta, d.h. der Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit in schwerer Weise eingreift.

Das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens wird durch die Datenerhebung ohne weitere Voraussetzungen verletzt, egal ob die erhobenen Daten sensiblen Charakter haben oder ob der Betroffene Nachteile dadurch erleidet. Außerdem stellt der Zugang der nationalen Behörden zu den Daten einen weiteren Eingriff dar, gleiches gilt auch für den Eingriff in das Grundrecht auf Schutz personenbezogener Daten.

Zwar könne zum Zwecke der Bekämpfung des internationalen Terrorismus und zur Bekämpfung schwerer Kriminalität in die Grundrechte eingegriffen werden, aber der Eingriff muss verhältnismäßig bleiben. Es dürfen nur solche Handlungen vorgenommen werden, die den erstrebten Zweck erreichen können, der Gesetzgeber muss allerdings die Eingriffe auf das absolut notwendige beschränken. entsprechende gesetzliche Regelungen müssen klar und präzise die Tragweite und die Anwendung der fraglichen Maßnahmen definieren, es müssen Mindestanforderungen aufgestellt werden, dass ausreichende Garantien bestehen, um den wirksamen Schutz der personenbezogenen Daten vor Missbrauch zu gewährleisten, vor unberechtigten Zugang zu diesen Daten und jeder unberechtigten Nutzung.

Die Richtlinie der Europäischen Union wird dem nicht gerecht, weil sie generell alle Personen und alle elektronischen Kommunikationsmittel erfasst, ohne irgendeine Differenzierung, Einschränkung oder Ausnahme anhand des Ziels der Bekämpfung schwerer Straftaten vorzusehen. Außerdem gibt es keine Zweckbeschränkung oder geographische Beschränkung oder Beschränkung auf einen bestimmten Personenkreis, der irgendwie in Straftaten verwickelt sein könnte. Ferner fehlen konkrete Regelungen, die die konkrete Nutzung der erhobenen Daten bestimmen. Dies wird auch in Bezug auf den Personenkreis bemängelt, der zu den Datenzugriff erhalten kann. Und schließlich sei die Dauer der Vorratsspeicherung unabhängig von der Art der einzelnen Daten unzulässig.

Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits mit Urteil vom 02.03.2010 (1 BvR 256/08) die deutschen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig erachtet. Allerdings hat das Gericht eine sechsmonatige anlasslose Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten nicht für schlechthin verfassungswidrig erachtet, sondern lediglich die konkrete Ausgestaltung als unzureichend bewertet. Gefordert sei eine anspruchsvolle und Normen klare Regelung bezüglich der Datensicherheit, Daten Verwendung, der Transparenz und des Rechtsschutzes. die Datensicherheit müsse mit einem besonders hohen Sicherheitsstandards Normen klar und verbindlich gegeben sein. Außerdem sei der Abruf und die Nutzung der Daten nur verhältnismäßig, wenn überragend wichtige Aufgaben des Rechtsgüterschutzes verfolgt werden, im Bereich der Strafverfolgung muss der begründete Verdacht einer schweren Straftat vorliegen, im Bereich der Gefahrenabwehr eine konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person. Durchgewunken hat das Bundesverfassungsgericht  die Datennutzung bei Internet Protokoll Adressen zum Zwecke der Inhaber feststellen.

Konsequenz für das deutsche Recht

Die Quintessenz der beiden Entscheidungen für den  deutschen Gesetzgeber ist darin zu sehen, dass nur in Fällen erheblicher Kriminalität und Gefahrenabwehr bei Gefährdung höchster Rechtsgüter eine punktuelle Datenerhebung durch Vorratsdatenspeicherung zulässig sein wird. Der EuGH hat zutreffend herausgearbeitet, dass im Rahmen der Verhältnismäßigkeit von gesetzlichen Regelungen nicht über das Ziel hinaus geschossen werden darf und die von Seiten der Polizei- und Sicherheitsbehörden geforderte verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung hat sich in den Ländern, in denen die Richtlinie der Europäischen Union umgesetzt wurde, nicht als wirklich wirksam erwiesen, angesichts millionenfacher Grundrechtseingriffe, die jeden Tag erfolgen, ist mehr als das von Teilen der deutschen Politik vorgeschlagene „Freeze“-Verfahren kaum europa- und verfassungsrechtlich zu rechtfertigen. Hinzu kommt, wie zuletzt der angebliche Fall Edathy beweist, dass die Sicherheitsbehörden überhaupt nicht in der Lage sind,  zeitnah Informationen aus der Datenerhebung zu verwerten und damit die Vorratsdatenspeicherung zum Zwecke der Gefahrenabwehr faktisch unbrauchbar ist. Gegenteilige Bekundungen interessierter Sicherheitskreise sind Wunschgedanken, der Nachweis der Tauglichkeit der Vorratsdatenspeicherung zur Kriminalitätsbekämpfung ist weiterhin nicht erbracht.

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